Mit einer Rückbesinnung auf die vormoderne Stadt wollte die Senatsbaudirektion die beiden Zentren Berlins zusammenwachsen lassen.

Im Laufe der 1990er Jahre wurden Planwerke für verschiedene Teile des Berliner Stadtgebietes aufgestellt. Das bekannteste und kontroverseste dürfte dabei wohl jenes Planwerk Innenstadt gewesen sein, welches zum ersten Mal in einer Stadtforumssitzung am 29. November 1996 vorgestellt wurde. Übergeordnetes Ziel dieses Planwerks sollte es sein, die beiden Zentren der Berliner Innenstadt, zum einen die historische Mitte im Ostteil der Stadt und zum anderen den Bereich der City-West, in einer Struktur zusammenzufassen. Des Weiteren sollte ein umfassenderes Planwerk helfen, die verstreuten Interessen einzelner Investoren unter einen Hut zu bringen. Der Anlass für die Initiierung desselben kam aus der Politik: So wurde in einer Vereinbarung der Großen Koalition im Januar 1996 festgelegt, dass Berlins historische Mitte bewahrt werden und dementsprechend ein Gesamtkonzept entwickelt werden solle. Nach einem fast drei Jahre andauernden Diskussionsprozess wurde das Planwerk Innenstadt am 18.5.1999 vom Berliner Senat als ein offizielles städtebauliches Leitbild beschlossen.

Ein Planwerk als Diskussionsgrundlage

Thematisch reichen die Vorschläge vom ökologischen Stadtumbau, Eindämmung der Verkehrsprobleme in der Innenstadt bis zum innerstädtischen Wohnen. Dabei sollte das Planwerk aber nicht als ein Masterplan angesehen werden, sondern eher als eine Diskussionsgrundlage mit detaillierten Empfehlungen. Um die Diskussion darüber fortzusetzen kam es in den folgenden Jahren zu verschiedenen Planungswerkstätten. So wurden zu den Teilräumen Breitscheidplatz, Lietzenburger Straße, Kulturforum, Spittelmarkt, Molkenmarkt, Fischerinsel, Luisenstadt und Karl-Marx-Allee entweder detaillierte Entwürfe erarbeitet oder thematische Schwerpunkte näher erörtert.

Kritik an den Inhalten und Aversion der Nichtbeteiligten

Die Bekanntmachung des Planwerks führte zu einer Flut von Kritik und Ablehnung. Die Kritik bezieht sich zum einen auf die inhaltliche Themensetzung: So kann die Rückgewinnung von innerstädtischen Brachen für das Wohnen durchaus einmal positiv ist, da dieses Wohnen aber meist an lärmbelasteten Straßen vorgesehen ist, dürfte das aber nicht zu den gewünschten Effekten führen. Des Weiteren täusche der Fokus auf dieses neue Wohnen darüber hinweg, dass die innerstädtischen Quartiere des 19. Jahrhunderts von einer schleichenden Polarisierung gekennzeichnet sind. Weitere Kritik bezieht sich auf den Umgang mit Bildern im Planwerk Innenstadt: Die Darstellung Berlins als historische Stadt bezieht sich nur auf einen Moment der Geschichte, nämlich den der Industrialisierung. Dadurch wird der Begriff Stadt auf diese eine Epoche eingeengt und andere egal ob vormoderne oder zeitgenössische Stadtansichten bleiben unberücksichtigt. Ein weiterer Kritikpunkt ist die Art und Weise der Aufstellung und Bekanntgabe des Planwerks: Von einem kleinen Planerzirkel ausgedacht und der Öffentlichkeit als Tatsache vorgeworfen, musste dies zwangsweise zu einer natürlichen Aversion der Nichtbeteiligten führen. Dies umso mehr, da im Zuge des Planwerk Innenstadt immer von der Schaffung einer gemeinsamen Berliner Identität die Rede war. Wenn sechs Männer aus dem Westteil der Stadt dies im Alleingang versuchen, dann ist das wohl besonders verdächtig.